Uniformen, Pulverdampf und Biwakfeuer –
Reenactment der Napoleonischen Zeit


von Kieron Kleinert und Michél Kothe

 

Warum beschäftigen sich Menschen mit dem Thema "Krieg"? Mitteleuropa und besonders Deutschland war immer wieder Schauplatz blutiger Konflikte. Fast jedes Dorf klagt in seiner Chronik über Opfer, Entbehrungen und Verwüstungen im Gefolge kriegerischer Auseinandersetzungen. Burgen, Festungen und Denkmale prägen vielerorts die Landschaft. Krieg mit seinen Schrecken und Leiden ist also in unserer Geschichte fest verankert. Wer sich für seine Heimat interessiert, wird meist irgendwann auf dieses Thema treffen. Es ist daher nicht verwunderlich, daß sich bei einer so von Militär geprägten Vergangenheit viele Menschen mit jener Problematik auseinandersetzen. Die Freizeitbeschäftigung, bei der in originalgetreu nachgestalteten Uniformen an die Kämpfe und Leiden der Kriege der Ära Napoleons erinnernt wird, nennt man Reenactment.



 

Für Geschichtsinteressierte bietet Reenactment eine einmalige Gelegenheit, ein Stück Geschichte spürbar zu machen. Wenn man am Wochenende seine originalgetreue Uniform anlegt und sich im Zeltlager, dem sogenannten Biwak, befindet, taucht man in eine ferne Welt ein. Fernab aller Handys, Computer oder Fernseher zählen plötzlich ganz andere Dinge. Man bekommt wieder Sinn für Kleinigkeiten und lernt ein wärmendes Lagerfeuer, einen Strohsack zum Schlafen oder einen frischen Kanten Brot zu schätzen. Manch beiläufig zur Kenntnis genommener Fakt aus den Lehrbüchern erhält hier seinen tieferen Sinn. Nun beurteilt man einen zehn Kilometer langen Fußmarsch im naßkalten Wetter, nach einer durchfrorenen Nacht und auf schlammigen Wegen, mit drückendem Gepäck und in unbequemer Uniform anders als aus der Perspektive des Autofahrers. Man begreift, warum viele Soldaten an Seuchen und Krankheiten starben, nachdem sie wochenlang im Freien hausten und keine ausreichenden Waschmöglichkeiten hatten, ganz zu schweigen von hinreichender medizinischer Versorgung.



Andererseits sieht man historische Orte und Gebäude mit anderen Augen. Um einen herum herrscht geschäftiges Treiben. Es klopft, hämmert und trommelt, dazwischen das Geklapper von Pferdehufen und ferne Signale einzelner Trompeten. Überall knistern Feuer, von denen kleine Rauchsäulen aufsteigen und aus den darüber hängenden Kesseln breitet sich Essengeruch aus. Über dem gesamten Biwak liegt eine seltsame, ruhige Atmosphäre... .

Reenactment befriedigt jedoch nicht nur die Neugier auf eine entfernte Vergangenheit und bietet weit mehr als Lagerfeuerromantik in freundschaftlicher Geselligkeit. Darüber hinaus beinhaltet dieses Hobby noch einen wichtigen, ernsten Aspekt. Wenn an historischen Orten, große Persönlichkeiten geehrt und bedeutsame Schlachten nachgestellt werden, geht es auch immer darum, den Zuschauern durch Vorträge, Gespräche oder schriftliche Äußerungen die schlimmen Auswirkungen solcher Kämpfe vor Augen zu führen. Bei allem Spaß, den das Erlebnis Geschichte unwillkürlich bereitet, schwingt stets die mahnende Botschaft mit, gewaltsame Auseinandersetzungen künftig zu vermeiden.



Alles in allem erfordert Reenactment als Freizeitgestaltung zwar einen hohen Zeiteinsatz und viel Liebe zur Sache, ist aber trotzdem eine gute Mischung aus harter Arbeit und angenehmer Entspannung. Schließlich öffnen sich dem Einzelnen bisher ungewohnte Einblicke und obendrein hat man die Möglichkeit, sich für Verständigung, historische Bildung und Traditionspflege einzusetzen – welches Hobby kann sonst mit derartig breit gefächerten Vorzügen aufwarten?



 


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